Interview / MADONNA

VORSPANN: So richtig gerechnet hatte eigentlich keiner mehr mit ihr, damals, im Frühjahr ´98. Denn während sie im vergangenen Jahrzehnt voll auf Pomp, Provokation und ein Leben komplett vor den gierigen Augen der Menschheit führte, hatte sie sich in den letzten Jahren ziemlich rar gemacht. Sie lernte Yoga, wurde am 14. Oktober 1996 Mutter und ließ sich die Haare wachsen.

Doch Madonna, von der hier die Rede ist, weibliche Pop-Ikone der 80er Jahre, meldete sich vier Jahre nach dem Multi-Platin-Album "Bedtime Stories" mit "Ray Of Light", der bislang besten Langrille in ihrer 15jährigen Karriere, Anno ´98 in der Öffentlichkeit zurück. Madonna Ciccione, wie die Dame bürgerlich heißt, hatte für diese Produktion den hippen Londoner DJ und Dance-Produzenten William Orbit verpflichtet - und der stieß für sie völlig neue, innovative musikalische Türen auf. Oder, in Madonnas Worten: "Er hat meinen 13 neuen Songs eine verwegene Mixtur aus meditativen Trance-Sounds, warmherzigem Trip Hop, flirrenden Drum & Bass-Rhythmen, jeder Menge Pop und üppigen orchestralen Arrangements verpasst. Dadurch klingen die Lieder auf "Ray Of Light" modern und altmodisch zur selben Zeit, sie sind tanzbar und laden gleichzeitig zum Träumen ein."

Textlich hat sich bei Signora Ciccione ebenfalls eine Menge getan - statt ruppiger Sex-Lyrik sang sie auf "Ray Of Light" Meditations-Mantren in Sanskrit, Schlaflieder an ihre 1996 geborene Tochter Lourdes oder verträumte Danksagungen an eine höhere Gewalt. Die lyrische Welt der am 16.8.1958 in der

US-Autometropole Detroit geborenen Entertainerin wirkte im Jahr 1998 extrem optimistisch und ausbalanciert.

Als Madonna die weiträumige Interview-Suite des noblen Düsseldorfer Hotels mit festem Schritt betritt, kann von Optimismus und Balance nicht die Rede sein - auf Seiten des Interviewers, wohlgemerkt. Obwohl die Diva, Tochter eines italienischstämmigen Autoschweißers aus dem Kaff Bay City im US-Bundesstaat Michigan, lediglich 155 Zentimeter groß ist, obwohl sie lässig und beinahe ungeschminkt vor mir sitzt und zudem damals extrem schmal und zerbrechlich aussah, herrscht auf der Stelle eine unglaubliche Spannung und Nervosität im Raum. Madonna ist der Inbegriff von Souveränität, nichts entgeht ihrem Blick, sie füllt mit ihrer einzigartigen Präsenz noch die hinterste Ecke der Suite. Und ihr fester Händedruck gleicht dem eines Kampfsportlers. Vor allem aber läßt er keinen Zweifel an ihrem unerschütterlichen Selbstbewußtsein zu.

Madonna ist eine Ikone schon zu Lebzeiten, scheint es - obwohl sie eine Menge dafür tut, eben diesen Eindruck im Gespräch zu entschärfen. Doch es gelingt ihr nicht. Vielleicht auch, weil im Kopf des Interviewers zuviele Bilder und Klischees aus einer einzigartigen Karriere eingegraben sind.

FRAGE: In den Medien wurde eine Menge über Ihren erneuten Image-Wechsel diskutiert. Hat Madonna sich wieder mal ein neues Mäntelchen übergestreift, mit dem sie der Öffentlichkeit begegnen will?

MADONNA: Ich glaube, die Leute machen sich viel zu viele Gedanken über mein Image, das haben sie all die Jahre über getan. Die Sache ist die, daß ich seit vier Jahren kein richtiges Album mehr veröffentlicht habe, natürlich bin ich in dieser Zeit gewachsen und habe mich verändert und - bang - mit dieser "neuen Madonna" wird die Menschheit plötzlich konfrontiert.
Dabei ist diese "neue Madonna" für mich eine alte Bekannte. Ich bin es ja, die jeden Tag mit sich selbst zusammen ist. Ich würde in diesem Zusammenhang also nicht von Image sprechen. Das bin einfach nur ich, eine Frau von 40.
Klar bin ich eine andere als vor vier Jahren: Ich ließ mein Haar wachsen, ich habe inzwischen ein Baby, ich mache Yoga und bin heutzutage ein ganzes Stück gelassener als damals. Doch das ist keine Frage des Images, sondern eine Frage des Alters. Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht, habe einen Knopf gedrückt und war plötzlich die "neue Madonna".

FRAGE: Das Magazin STERN hat über Sie in einem aktuellen Portrait das folgende geschrieben: "Sie ist fast unsichtbar. Sie schockt niemanden. Und meditiert." Finden Sie sich in diesen Sätzen wieder?

MADONNA: Ich glaube, solche Sätze spiegeln eher die Meinung des Autors wieder, als daß sie etwas über mich aussagen. Ich habe auch nie in Dekaden gedacht, also: "Das sind die 70er, deshalb mußt du ein Disco-Mäuschen sein. Das sind die 80er, deshalb mußt du provozieren auf Teufel komm raus. Und das sind die 90er, also mußt du meditieren." Natürlich habe ich auf die Zeitumstände beständig reagiert, doch das geschah ohne jede Berechnung. Ich sah mir meine Umgebung an und habe daraus etwas umgesetzt. So einfach ist das.
Ich bin ja eine Reflektion der Gesellschaft, in der ich lebe. Und da meine Karriere inzwischen gut 15 Jahre andauert, habe ich selbstverständlich eine Menge Metamorphosen durchgemacht. Wie langweilig, wenn die Welt sich weiterdreht und ich bleibe stets die Alte! Ich wollte unbedingt immer auf der Höhe der Zeit sein. Wichtig für mich war nur, daß ich mir meine Kreativität behalte und daß ich in all meinen Phasen weiß, wer ich bin. Ich würde es hassen, mich irgendwann zu verlieren.

FRAGE: Da passt gut der Satz, den Sie dem Magazin VANITY FAIR gesagt haben: "Ich war nicht rebellisch im herkömmlichen Sinne - ich wollte einfach jemand sein". Wissen Sie heutzutage, wer Sie sind?

MADONNA: Dieser Satz ist aus dem Zusammenhang gerissen. Was ich damit zum Ausdruck bringen wollte, war: Ich hing nicht ständig in Clubs ab, schmiss auf Teufel-komm-raus Drogen ein und sagte in jedem zweiten Wort "fuck". Das ist Teenager-Rebellion, die sich gegen die Eltern richtet, so etwas hat mich nie interessiert.
Wogegen ich rebelliert habe, war die stinklangweilige Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Da wollte ich so schnell als möglich raus, ich war süchtig nach Glamour und Aufregung und Abenteuer, ich wollte ein Star sein. Diese banale Mittelklassen-Bourgeoise, der ich entstamme, die total gesichtslos ist - dagegen habe ich mich gewehrt. Ich wollte groß sein, aufregend, eine Persönlichkeit - und selbstredend die Beste in ihrem Job. Das war lange Zeit mein Antrieb für all die irren Aktivitäten, die ich durchgezogen habe.
Allerdings vertrete ich hier die Gedanken eines Teenagers. Damals wollte ich auffallen, weil ich dachte, ich würde niemand sein. Inzwischen weiß ich seit vielen Jahren, daß ich immer jemand war. Doch mit 16 oder 17 bist du viel zu unsicher, um an dein eigenes Charisma zu glauben. So etwas funktioniert erst mit 30 oder 35 Jahren. Tatsache ist, daß in jedem Menschen von Anfang an seine Talente verborgen liegen. Die Frage ist nur, ob er sie eines Tages entdeckt und etwas damit anfängt. Nun, ich habe das getan.

FRAGE: Das heißt, Sie sind mittlerweile an einem Punkt, an dem Sie sich und der Welt nichts mehr beweisen müssen?

MADONNA: Mir selbst schon, sogar noch eine ganze Menge. Der Welt nicht mehr.

FRAGE: In Ihren aktuellen Interviews sprechen sie eine Menge über Ihre neugefundene Spiritualität, Sie betreiben regelmäßig Yoga und glauben an den Karma-Gedanken. Mußten Sie erst Ihre dogmatische, streng-katholische Erziehung aufarbeiten, ehe Sie nun - mit knapp 40 Jahren - sich einer befreiteren Spiritualität zuwenden konnten?

MADONNA: Natürlich! Der katholische Glaube ergreift ziemlich stark Besitz von der Seele. Und dank meines Vaters wuchs ich in einer sehr patriarchalischen Gesellschaft auf, der zu entkommen für eine Frau immens schwierig ist. Diese Gesellschaft geht davon aus, daß eine Frau nicht sexy und intelligent zur gleichen Zeit sein kann. Um diesen Leuten das Gegenteil zu beweisen und mich dabei aus ihrer Umklammerung zu befreien, habe ich viele Jahre hart gearbeitet. Inzwischen habe ich diese Vergangenheit abgeschüttelt. Jetzt heißt es für mich, daß ich an das Leben andere, wichtigere Fragen stelle als: "Darf eine Frau sexy und schlau sein?" Ich weiß heutzutage, daß ich beides bin.

FRAGE: Sie stellen also sich und Ihre Welt ständig in Frage?

MADONNA: Nicht jeden Tag, aber doch ziemlich oft. Und je mehr Fragen ich stelle, desto mehr Antworten bekomme ich auch. Aber desto mehr neue Fragen tun sich auch für mich auf. Eine ziemlich anstrengende Sache, das Leben. Aber dabei höchst-interessant.

FRAGE: Bis jetzt haben Sie in Ihrer Karriere schon immens viel erreicht. Gibt es etwas, woran Sie gescheitert sind?

MADONNA: Nein, weil ich nicht daran glaube, daß irgendetwas nicht zu schaffen ist. Wir selbst sind keinen Beschränkungen unterworfen. Die Beschränkungen werden uns immer nur von außen auferlegt, also von Menschen, die nicht besonders an sich und ihre Fähigkeiten glauben. Ich hingegen glaube felsenfest an mich. Ich kann alles tun, was ich will.

FRAGE: Sie sind auch deswegen seit Beginn Ihrer Karriere vor über 15 Jahren so berühmt, weil Sie stets den Zeitgeist erkannt und umgesetzt haben. Haben Sie eher auf die jeweils aktuellen Tendenzen reagiert, oder haben Sie selbst Trends geschaffen?

MADONNA: Es stimmt, ich war immer nahe am Zeitgeist dran. Doch ich bin garantiert jemand, der handelt, anstatt zu reagieren. Das ist zwar der wesentlich anstrengendere, aber letztendlich der wesentlich befriedigendere Weg. Ich war und bin immer hungrig nach Wechsel, Veränderung, dem Neuen. Ich möchte um Himmels willen niemals stagnieren.

FRAGE: Sehnen Sie sich nicht dennoch gelegentlich nach einem Hort der Ruhe, einer Art "Heimat"?

MADONNA: Oh, ich habe diese Orte, keine Bange! Trotzdem möchte ich nie aufhören, neugierig zu sein. In mir drin schlägt das Herz eines Künstlers. Und dieses Herz befiehlt mir immer wieder aufs neue, daß ich die Augen offen halten und Sachen ausprobieren soll.
Doch seit ein paar Jahren gelingt es mir auch, stundenlang einfach in meinem Haus zu sitzen, Fernzusehen, ein Buch zu lesen und mit meiner Tochter zu spielen. Ich habe dann kein schlechtes Gewissen mehr, weil ich in solchen Momenten nicht aktiv bin. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich mir Phasen der Ruhe gönne - und sie auch vollständig genieße. Diese Phasen sind inzwischen sehr wichtig für mich.

FRAGE: Man merkt diese Entwicklung auch Ihrem neuen Album "Ray Of Light" an, denn es ist mit Abstand das gelassenste, optimistischste Werk, das Sie bislang eingespielt haben. Beurteilen Sie die Platte ebenso?

MADONNA: Auf jeden Fall! Was ich unter anderem gelernt habe, seit ich die Mama meiner Tochter Lourdes bin: Man kann neue, revolutionäre Wege gehen, auch wenn man sich der Stille verschrieben hat. Dank Yoga und Meditation habe ich erst mitbekommen, wieviel Energie im Schweigen steckt. Ich bin heute sehr oft aktiv in der Stille.
Früher hingegen konnte ich keine Sekunde stillsitzen. Ich strampelte mich durchs Leben, war häufig aggressiv und wild und unberechenbar. Das hat sich in den letzten zwei Jahren stark gelegt. Ich war nicht in der Balance, damals. Inzwischen habe ich gelernt, daß es Phasen im Leben gibt, in denen man Ruhe braucht und Phasen, in denen man handeln muß. Ich glaube, das ist der wahre spirituelle Weg, um sein Leben in den Griff zu bekommen.

FRAGE: Ein enger Freund von Ihnen hat über Sie behauptet: "Sie ist nicht immer logisch. Nicht immer süß. Sie ist einfach ein menschliches Wesen". Sehen sie das genauso?

MADONNA: Oh, ich war immer ein menschliches Wesen! Das Problem an der Sache war nur, daß mich der Rest der Menschheit nicht so sehen wollte. Der hat mich entweder vergöttert oder gehaßt. Jedenfalls wurde ich im Laufe meiner Karriere zu einer Ikone. Und Ikonen spricht man bekanntermaßen immer Fehler und menschliche Regungen ab. Aber ich selbst bestehe eben nur aus Fleisch und Blut. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

FRAGE: Inwieweit hat nun Ihre Tochter Lourdes Ihr Leben verändert?

MADONNA: Sie hat es völlig auf den Kopf gestellt, ganz klar! Doch mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da, jede Mutter würde das so unterschreiben. Wobei ich das Glück habe, daß Lourdes mich sehr in meiner Arbeit unterstützt. Logisch, sie ist mit Musik großgeworden - als ich mit ihr schwanger ging, drehte ich "Evita", sie hat also von Beginn an Musik gespürt. Heute ist sie schon soweit, daß sie im Studio tanzt, wenn ich neue Lieder aufnehme. Sie schaut mich mit großen, neugierigen Augen an, wenn ich singe. Und sie lacht selig, wenn ich sie zum Rhythmus eines Songs in den Schlaf wiege. Ich habe unglaubliches Glück mit meiner Tochter!

FRAGE: Seit Beginn Ihrer Karriere stehen Sie in der Öffentlichkeit. Haben Sie manchmal das Gefühl, die Menschheit weiß mehr über Sie als Sie selbst?

MADONNA: Nein, nein, da täuscht sich die Menschheit. Ich habe immer gewußt, wer ich bin und ich habe den Leuten immer nur soviel von mir gezeigt, wie ich es für richtig hielt. Wenn ich also ein neues Projekt vorstelle - sei es ein Buch, eine Platte oder einen Film -, dann habe ich mir zuvor unglaublich viele Gedanken über seine Präsentation gemacht. Und obwohl ich stets sehr offen zu den Leuten war, kann kaum eine Person auf dieser Welt behaupten, mich wirklich gut zu kennen. Die paar wenigen, das sind meine Freunde. Und von Freundschaft zu einer Person zu sprechen, das ist eine große Sache. So etwas dauert lange, lange Zeit. Tief im Inneren bin ich nämlich sehr mißtrauisch.

FRAGE: Gab es Phasen in Ihrem Leben, in denen Ihnen der Ruhm völlig zum Hals heraushing?

MADONNA: Ja, die gab es oft! Erst gestern wieder: Ich wäre gerne in aller Ruhe zum Shoppen in Paris gegangen, doch 500 Leute verfolgten mich dabei. So etwas macht einfach keinen Spaß, da bin ich lieber im Hotel geblieben... Ich würde mir gelegentlich auch wünschen, daß ich wieder ein kleiner, unbekannter Künstler bin. Ich hätte dann viel mehr Möglichkeiten, ich könnte größere Risiken eingehen in meiner Arbeit. Inzwischen ist der Druck auf mich bei jeder neuen Produktion immens. Ich bin ja auch so viele Metamorphosen gegangen, daß ich der vorhergegangenen Sache immer noch einen draufsetzen muß. Insofern ist es nicht einfach für mich, etwas neues anzugehen und zu verwirklichen.

FRAGE: Viele andere Künstler sind unter einem solch immensen Druck zerbrochen. Wie haben Sie es geschafft zu überleben?

MADONNA: Ganz einfach: Ich habe großes Vertrauen in mich und meine Arbeit, und ich besitze starke Überlebensmechanismen. Außerdem war ich zeit meines Lebens von niemandem abhängig, ich habe stets nur meine eigene Vision verfolgt. Das genügt, um weiterzumachen. Außerdem habe ich nie etwas als Garantie genommen. Mein Erfolg war nie selbstverständlich für mich, er ist es bis heute nicht. Ich härte eben nur auf meine innere Stimme, ließ mich von niemandem beirren und von etwas abbringen.
Das bedeutet jetzt nicht, daß ich ein kompletter Einzelgänger wäre. Im Gegenteil, ich setze stark auf meine Freunde, meine Familie, meine Vertrauten. Sie sind absolut notwendig, um überhaupt weitermachen zu können.

FRAGE: Fällt es Ihnen bei Ihrem Lebensstil schwer, neue Freunde zu finden?

MADONNA: Sicherlich schwerer als früher. Doch ich lasse mich immer wieder gerne auf neue Menschen ein. Und ich bin ein sehr guter Richter, was den Charakter eines anderen angeht. Ich kann mich blendend auf mein Urteilsvermögen verlassen.

FRAGE: Sie haben zum STERN gesagt: "Wir leben alle mit unseren kleinen Lügen und Schutzmechanismen - und ich bin nicht frei davon. Doch ich arbeite an mir". Bedeutet das, Ihr Ziel wäre es, ein Leben frei von Lüge zu führen?

MADONNA: Zunächst mal: Ich bin alles andere als perfekt, ich mache eine Menge Fehler. Doch ich versuche sie, Jahr für Jahr zu reduzieren. Das Ziel jedes Menschen kann nur die absoute Aufrichtigkeit sein. Auf etwas anderes hinzuarbeiten, wäre ein Fehler. Doch da wir alle mehr oder weniger selbstsüchtig sind, ist dieses Ziel auch am schwersten zu verwirklichen. Aber wie gesagt, ich arbeite an mir.

FRAGE: Für viele Frauen waren und sind Sie ein Idol, eine moderne Verfechterin für die Emanzipation, eine Feindin des Patriarchats. Wie gehen Sie heutzutage mit solcher Verehrung um?

MADONNA: Ich habe mich nie als eine Ikone gesehen oder als eine Frau, die politisch handelt. Wenn ich mich gegen eine männerdominierte Welt gewehrt habe, dann hat das in erster Linie zu meiner eigenen Befreiung beigetragen. Ich hatte nicht Millionen von Frauen im Hinterkopf, denen ich ein Vorbild sein wollte. Wobei ich mich heute gegen dieselben Feinde anders als früher wehre. Während ich früher gerne laut und obszön war, nutze ich heute die Kraft der Stille. Die Zeiten haben sich geändert, die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist nahezu erreicht. Zudem leben wir in einer ausgesprochen wichtigen Zeit: das Wassermann-Zeitalter naht, wir steuern auf ein neues Jahrtausend zu, alles ist in Bewegung, ist im Fluß. Deshalb gebe ich mich heute in der Öffentlichkeit anders als noch vor zehn oder 15 Jahren. Ich reagiere wie immer auf die Umstände der Zeit, ganz klar.

FRAGE: Trotzdem sind Sie sich Ihrer Rolle als Idol der Frauenbewegung bewußt, nehme ich an...

MADONNA: Nein - ich habe immer nur mich selbst ausgedrückt. Was die Leute damit angefangen habe, war ihnen überlassen. Ich habe auch nie Unterscheidungen zwischen den Geschlechtern gemacht, ich sah Männer nie als Feinde an. Für mich gab - und gibt - es nur Freund und Nicht-Freund. Alles andere würde mich in meiner Kreativität behindern. Und das möchte ich nicht.

FRAGE: Halten Sie sich eigentlich für attraktiv?

MADONNA: Manchmal ja, manchmal nein. Das liegt an meiner Tagesform. Wenn ich vier Nächte nicht geschlafen habe, halte ich mich für extrem unattraktiv.

FRAGE: Und was tun Sie dagegen?

MADONNA: Schlafen! Und nicht in den Spiegel schauen.

FRAGE: Wissen Sie eigentlich schon, was Sie in der nächsten Zeit alles machen werden?

MADONNA: Jede Menge! Ich möchte nach Indien gehen. Ich möchte so bald als möglich nach Paris, um mir jede Menge Museen anzuschauen. Ich möchte ein zweites Baby haben. Ich will malen. Ich will neue Filme drehen. Ich will schreiben. Ich will so vieles. Stillstand ist Tod. Und ich fühle mich sehr am Leben zur Zeit. Wahrscheinlich mehr denn je!

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