Interview / JANET JACKSON

VORSPANN: Sie ist kleiner als erwartet (geschätzte 150 Zentimeter), dünner als erwartet (damalige Schokolade-Abstinenz) und lässiger als erwartet ("frag einfach alles, was du willst") - Janet Jackson hält im Sommer 1997 für eine Handvoll ausgesuchter europäischer Journalisten hof auf der Terrasse ihres geschmackvoll eingerichteten Bungalows, direkt am Malibu Beach in Los Angeles, nur einige Steinwürfe entfernt vom Drehort zu "Baywatch". Ein exklusiver Ort, keine Frage! Michael Jacksons jüngste - und ihm stets liebste - Schwester, am 16.5.1966 in Gary im US-Bundesstaat Indiana geboren, scheint die elitäre Umgebung nicht zu beeindrucken - sie erzählt jedem, der es hören will (oder auch nicht), daß sie "einfach nur Janet" ist. Merkwürdigerweise stimmt das sogar. Und das, obwohl "The Velvet Rope", ihr damals aktuelles Album, seit Monaten ganz oben in den Charts weltweit stand, prächtig verkaufte und Janet noch ein bißchen reicher gemacht hat, als sie es eh schon war. Trotzdem beharrt Mrs. Jackson darau, normal zu sein - was immer das zu bedeuten hat... An dieser Entwicklung hin zur Normalität hat Janet allerdings auch lange genug gearbeitet. Denn als jüngste im berühmt-berüchtigten Kinder-Clan der Jacksons geboren zu sein, war nicht eben eine leichte Wahl und alles andere als ein Garant für ein Leben in Normalität. Janet wurde bereits siebenjährig vom so ehrgeizigen wie cholerischen Vater Joe animiert, mit Bruder Randy als Duo in Las Vegas auf die Bühne zu steigen. Einige Jahre später fand Janet sich in TV-Seifenopern wie "Fame" oder "Good Times" wieder. Und 16jährig nahm sie schließlich ihr erstes Album "Janet Jackson" auf, dem allerdings kein besonderer Erfolg vergönnt war.

Eine stromlinienförmige Karriere nach Maß, so schien es nach außen hin, doch hinter den Kulissen der Erfolgs-Dynastie Jackson ging, wie sich Janet erinnert, "der totale Psycho-Streß ab. Ich wollte nur raus." Ihren Absprung wagte sie, als Janet 18jährig den 21jährigen Musiker James DeBarge ehelichte - sie kam vom Regen in die Traufe! Denn James war schwer kokain- und alkoholabhängig, entsprechend launisch verhielt er sich seiner Angetrauten gegenüber. Zerknirscht kehrte Janet nach nur 60 Tagen Irrsinn mit DeBarge, der sie sogar verprügelte, nach hause zu den Eltern zurück, ließ die Ehe annulieren und widmete sich fortan strikt ihrer Sangeskarriere. Ein Engagement, das sich auszahlen sollte, denn spätestens mit dem 86er-Album "Control" war die kleine Jackson auf dem Weg zum Superstar. Der ist sie bis heute geblieben.

FRAGE: Du hast da eine interessante Tätowierung auf deinem linken Unterarm...

JACKSON: Ja, sie ist ziemlich neu und stellt ein indianisches Symbol für Stärke dar. Ich hab übrigens noch zwei andere, eine am Rücken, die bis hinunter zum Hintern führt, ebenfalls ein Symbol. Und dann hab ich noch eine Tätowierung, die ich dir aber leider nicht zeigen und über die ich dir auch nichts erzählen kann.

FRAGE: Warum nicht?

JACKSON (kichert): Sie ist an einer Stelle meines Körpers, den ich nur ganz wenigen Menschen zeige. Und diese Menschen sollen dann eine kleine Überraschung erleben...

FRAGE: Wie kamst du denn darauf, dich tätowieren zu lassen?

JACKSON: Das war für mich ein sehr ritueller Akt, ein Befreiungsschlag, mit dem ich mich von all dem Schmerz, der sich bei mir in den letzten Jahren angesammelt hatte, erläste. Ich ließ mich tätowieren - mir also äußeren Schmerz zufügen -, um den inneren Schmerz zu überwinden. Da Tattoos bekanntermaßen für die Ewigkeit sind, werde ich ein Leben lang daran erinnert werden, daß ich Schmerz empfand - und ihn überwunden habe. Ein sehr erhebendes Gefühl!

FRAGE: Von welchem Schmerz sprichst du konkret?

JACKSON: Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen, aber in den 31 Jahren meiner Existenz hat sich eine Menge Dreck in meiner Seele angesammelt - die verkorkste Beziehung zu meinem despotischen Vater, die Hochzeit mit einem Drogenabhängigen, das Bild, das Leute in der …ffentlichkeit von mir haben...

FRAGE: Welches Bild haben die Leute denn deiner Ansicht nach von dir?

JACKSON: Sie glauben, daß wir Jacksons eine total durchgeknallte Familie sind, asozial und weltfremd. Ich meine: Natürlich war es hart, in dieser... (lacht)... Dynastie großzuwerden. Der frühe Ruhm, das ständige In-der-…ffentlichkeit-Stehen, die Rivalität untereinander - sowas belastet die jugendliche Seele. Und daß unser Vater so ehrgeizig war, hat die Sache nicht eben erleichtert.
Doch letztendlich haben wir Geschwister allesamt Erfolg, wir verdienen richtig gutes Geld, sind sehr solidarisch zueinander und sind finanziell unabhängig, was das Leben wiederum sehr erträglich macht. Logisch, für dieses Privileg mußt du einen Preis bezahlen. Aber dieser Preis ist nicht zu hoch. Ich glaube, ich kann mit den negativen Seiten des Erfolgs sehr gut umgehen.
Doch zurück zu unserer Familie: Ich denke nicht, daß wir verrückter sind als die meisten anderen Familien. Wir haben Macken, na klar, aber so ist das Leben nunmal eingerichtet. Und es ist doch ganz spannend, daß jeder Mensch eine andere Macke hat, oder nicht?
Nur weil wir Musik machen, im äffentlichen Leben stehen und viele Platten verkaufen, darf man uns nicht verteufeln. Wir sind vällig anders, als die Medien uns die ganze Zeit über darstellen. Und bestimmt nicht so einseitig und simpel konstruiert.

FRAGE: Du sprichst im Interview genauso offensiv wie in den Texten deiner aktuellen CD, auf der du eine starke, selbstbewußte Frau darstellst. Siehst du dich als diese Frau?

JACKSON: Ich nähere mich dieser Frau an, denn ich lerne gerade, wer ich bin. Ich habe also einen Weg eingeschlagen und den gehe ich konstant weiter. Inzwischen weiß ich nämlich immerhin, was ich will. Ich verfolge ein Ziel: Ich mächte eine unabhängige Person sein, mäglichst unbelastet von der Vergangenheit.
Wenn ich daran denke, wo ich noch 1993 stand, während der Aufnahmen zu meinem letzten Album - was für ein himmelweiter Unterschied zu heute! Damals versuchte ich, mäglichst wenig mt meiner Persänlichkeit konfrontiert zu werden. Vielleicht hatte ich auch einfach keine.
Inzwischen lege ich´s auf diese Konfrontation an. Eine Menge dieser Erfahrungen findest du in den Texten von "The Velvet Rope". Auch wenn mir das vermutlich mal wieder niemand abnimmt - wer sich mit diesen Texten beschäftigt, weiß danach eine Menge über die Janet Jackson von heute. Die Lieder handeln von Tod, Geschlechterverwirrung, Schmerz und natürlich auch Selbstfindung...

FRAGE: ...und zu einem nicht unwesentlichen Teil auch von Sex und dem damit verbundenen Spaß...

JACKSON (grinst): Na klar, denn Sex ist große Klasse! Eine der wenigen wirklichen Freuden, die diese Welt zu bieten hat. Ich wollte diesmal so direkt wie möglich über dieses Thema singen, ohne daß ich plump oder vulgär klinge. Deshalb sind die Texte diesmal viel direkter als auf dem letzten Album "janet.".

FRAGE: Ich schätze, bei uns in Europa erntest du damit hächstens ein Achselzucken...

JACKSON: Klar, bei euch ist diese Form von Outing keine große Sache, ihr habt Sex im Fernsehen oder in der Werbung, ihr geht sehr locker damit um. Aber hier in Amerika ist Erotik immer noch weitgehend ein Tabu - ganz besonders die weibliche Sexualität.
Ich hoffe, mit "The Velvet Rope" einen kleinen Beitrag dazu leisten zu kännen, daß die Menschen ein bißchen lässiger über diese wunderbare Sache denken. Sie sollen sich darüber ganz locker unterhalten - und danach Sex machen und eine tolle Zeit haben. Wenn meine Musik dazu der entsprechende Soundtrack ist, habe ich mein Hauptziel schon erreicht.

FRAGE: Fühlst du dich selbst eigentlich besonders sexy?

JACKSON: Inzwischen habe ich definitiv ein besseres Kärpergefühl als noch vor ein paar Jahren, ich kann heute auch in den Spiegel schauen und sagen: "Nicht übel, Mädchen, was du da siehst". Doch früher habe ich mich alles andere als sexy gefühlt. Der Grund dafür ist sicher in meiner Erziehung zu finden, Sex war in meiner Jugend einfach kein Thema. Daher ist es auch eines meiner Ziele, mich fortan erotisch anziehend und begehrenswert zu fühlen. Naja, immerhin plaudere ich inzwischen schon mit einigen Freundinnen über Sex und Erotik, wir lachen dabei viel und haben eine Menge Spaß. Konkret: Ich habe inzwischen viel Freude an zweideutigen Spielchen und Wortspielereien. Ich mag es, ungezwungen über dieses Thema zu reden. Ich denke, das ist wichtig für mehr Selbstbewußtsein - besonders bei uns Frauen.

FRAGE: Auch der spirituelle Aspekt spielt in den Texten von "The Velvet Rope" eine große Rolle - warum?

JACKSON: Nun, weil ich ein sehr spiritueller Mensch bin. Ich glaube zwar nicht an Dogmen oder gar an eine Religionsgemeinschaft, so wie etwa meine Mutter, die sich den Zeugen Jehovas verschrieben hat. Aber ich glaube definitiv an ein häheres Wesen, das uns geschaffen hat und vor dem wir uns eines Tages in irgendeiener Form verantworten müssen. Dieser Glaube verleiht mir eine immense innere Kraft. Beispielsweise half er mir, dieses sehr intime neue Album überhaupt fertigzustellen. "The Velvet Rope" war eine schwere Geburt für mich, weil ich mein Innerstes damit schonungslos bloßlegte. Wer diese Platte härt, soll wissen, wie es Janet Jackson in den letzten Jahren ergangen ist. Ich habe in jedem einzelnen Song mein Innerstes komplett nach außen gestülpt. Das tut manchmal unglaublich weh. Aber es hilft gleichzeitig, innerlich zu wachsen.

FRAGE: Wie stehst du mittlerweile eigentlich zu deiner Familie, dem sog. "Jackson-Clan"?

JACKSON: Ich denke, jeder Mensch sollte stolz auf seine Familie sein, wenn sie nicht gerade aus Serienmärdern oder Vollidioten besteht. Meine Familie hat nichts davon im Angebot, deshalb habe ich kein Problem mit dem Namen "Jackson". Immerhin, wir sind neun Kinder, jedes davon hat einen Spleen. Aber jedes davon hat auch seine ur-eigene Persänlichkeit. Und ehrlich, ich komme mit all meinen Familienmitgliedern gut aus. Jedenfalls: Egal, wie uns die …ffentlichkeit sieht und was sie uns vorwirft, wir Jacksons werden immer zusammenhalten. Und darauf bin ich verdammt stolz!

 

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